Menschen überschätzen bisweilen, was in einem Jahr geschehen kann. Fast immer unterschätzen sie, was in 10 oder gar 100 Jahren möglich wird …
Als Ende des 19. Jh. die Idee einer eigenen Kirche für Ertl geboren wurde, standen die Aussichten schlecht. Zwanzig Jahre sollte es dauern, bis der Grundstein für die heutige Kirche 1901 gelegt werden konnte. Ein tiefer Glaube, Gottvertrauen, der Wunsch nach Eigenständigkeit und viel Mut waren nötig, um den Bau in Angriff zu nehmen. Die Nähe zur Kirche, die Möglichkeit auch wochentags den Gottesdienst zu besuchen und die Feier der Sakramente im eigenen Tal, all das waren Beweggründe für unsere Vorfahren. Eine Schule, die Kirche samt Kaufhaus und Gasthaus und der Boden für die Gemeinde (1922) war gelegt. Der Traum von einer Pfarrgemeinde im Urltal war so stark, dass der eigens gegründete Kirchenbauverein (1900) bis knapp 400 Mitglieder zählte. Nach Fertigstellung des Presbyteriums, als hübsche Kapelle mit Altar und auf der Kirchenschiffseite mit Brettern verschlagen, wurde am 5. August 1902 die erste Hl. Messe gefeiert. In den Folgejahren verzögerten Geldsorgen, Wirren im Kirchenbauverein und Unwetter den Bau. Doch 1913 konnte in der fast fertigen Kirche erstmals die Weihnachtsmette gefeiert werden. Groß ist die Freude aller, als am 25. Mai 1914 Bischof Rössler die neue Kirche „Zur Heiligen Familie“ konsekrierte. Seither waren 15 Priester in Ertl tätig, die gemeinsam mit der Gemeinde unzählige Male Gottesdienst gefeiert, Kinder getauft, Hochzeiten gefeiert, kirchliche Hochfeste begangen und Verstorbene zu Grabe getragen haben. Logisch war der Schritt zur eigenständigen Pfarre 1930. Im Blick auf die heutige Pfarrgemeinde möchten wir mit Dankbarkeit auf die Generationen vor uns schauen, denen die Kirche ein Anliegen zum Wohl der ganzen Gemeinschaft war. Dass unser Gotteshaus im Jubiläumsjahr in neuem Glanz erstrahlt, darf als gutes Zeichen gedeutet werden, wie sich der einstige Traum von einer lebendigen Pfarrgemeinde weiterentwickelt.